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Anzeige von Baerbock ohne Erfolg - Freispruch für Grünen-kritischen-Unternehmer

Der Unternehmer Michael Much hatte im September 2023 an seinem Grundstück in Gmund zwei Plakate angebracht. Auf dem einen Plakat ist Robert Habeck abgebildet mit der Frage, ob er überhaupt bis drei zählen könne. Diese Frage stand unter dem folgenden Zitat von Herrn Habeck: „Unternehmen gehen nicht insolvent, sondern hören nur auf zu produzieren.“ Auf dem zweiten Plakat sind Cem Özdemir, Annalena Baerbock, Robert Habeck und Ricarda Lang auf einer Dampfwalze mit dem Spruch: „Wir machen alles platt.“ zu sehen.

Gegen den Unternehmer wurde ein Strafbefehl erlassen, weil die Plakate die Politiker beleidigen würden. Gegen den Strafbefehl legte Herr Much Einspruch ein und nun hat das Amtsgericht Miesbach (Bayern) den Unternehmer freigesprochen.

Die Staatsanwaltschaft München II sah den Tatbestand der Beleidigung gegen Personen des politischen Lebens (§ 188 StGB) in vier tateinheitlichen Fällen zum Nachteil der 4 Politiker als erfüllt an.

Jedoch ist der Freispruch juristisch nachvollziehbar.

Die Verwirklichung des § 188 StGB ist schwer nachzuweisen. Rechtsprechung dazu gibt es kaum. Nach § 188 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer gegen eine im politischen Leben des Volkes stehende Person öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Abs. 3) eine Beleidigung (§ 185) aus Beweggründen begeht, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängt, und die Tat muss geeignet sein, das öffentliche Wirken des Politikers erheblich zu erschweren.

Das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals der „Eignung, das öffentliche Wirken erheblich zu erschweren“ ist nur schwer nachzuweisen. Die Äußerung muss geeignet sein, das Vertrauen in die Integrität des Politikers erschüttern zu können.

Es ist jedoch umstritten, worauf es bei der Eignung abzustellen ist: bloß auf den Inhalt der Äußerung oder auch auf sonstige Umstände. Die vorzugswürdige Meinung stellt auch auf die äußeren Umstände der Tat ab (BeckOK StGB/Valerius, 57. Ed. 1.5.2023, StGB § 188 Rn. 9; Fischer StGB, NK-StGB/Kargl, 6. Aufl. 2023, StGB § 188 Rn. 14).

Das Amtsgericht Schwetzingen hat sich in einem Urteil mit dem § 188 StGB auseinandergesetzt und auch dieser Meinung den Vorzug gegeben. „§ 188 Abs. 1 StGB stellt auf die Eignung der „Tat“ ab. Es erscheint daher vorzugswürdig, sämtliche Begleitumstände zu betrachten und die Verbreitungsform, die Größe des Adressatenkreises, den Umstand der Äußerung etc. mit bei der Frage der Eignung abzuwägen. §§ 186 und 187 StGB stellen im Gegensatz zu § 188 StGB bei der Eignung zur Verächtlichmachung, beziehungsweise Herabwürdigung alleine auf die Tatsache und nicht auf die „Tat“ ab, sodass auch die Systematik für eine derartige Auslegung spricht.“ (AG Schwetzingen Urt. v. 26.6.2023 – 2 Cs 806 Js 336/23, BeckRS 2023, 15390 Rn. 16, beck-online).

„Darüber hinaus würde ein fehlendes Außerachtlassen der Begleitumstände die Gefahr bergen, dass das Verhältnis zwischen Grundtatbestand aus §§ 185 bis 187 StGB zur Qualifikation in § 188 StGB in Ungleichgewicht gerät. Es sind nämlich kaum Fälle der §§ 186 und 187 StGB denkbar, die dann nicht zu einer Erfüllung des Qualifikationstatbestandes führen, wenn die Tatsache in Bezug auf eine Person des politischen Lebens geäußert wird. Die meisten Fälle, die die Strafverfolgungsbehörden beschäftigen stammen gerade aus dem Bereich der Internetmedien, sodass es sich fast ausschließlich um Inhalte nach § 11 Abs. 3 StGB handelt. Dies führt zu einer Umkehr des Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Grundtatbestand und Qualifikation.“ (AG Schwetzingen Urt. v. 26.6.2023 – 2 Cs 806 Js 336/23, BeckRS 2023, 15390 Rn. 17, beck-online).

„Welche Voraussetzungen jedoch erfüllt sein müssen, damit die Tat geeignet ist, das öffentliche Wirken erheblich zu gefährden, ist bislang nicht abschließend geklärt. Teilweise wird gefordert, dass die Glaubwürdigkeit oder Lauterkeit in Frage gestellt oder die Einflussmöglichkeiten nachhaltig geschmälert werden (Fischer StGB, 69. Auflage 2022, § 188 Rn. 6). Andere stellen darauf ab, ob die Äußerung geeignet ist, das Vertrauen in die Integrität des Opfers zu erschüttern (MüKoStGB/Regge/Pegel, 4. Aufl. 2021, StGB § 188 Rn. 13), oder ob ihr die Eignung zur Herbeiführung erheblicher Nachteile zukommt (vgl. NK-StGB/Kargl, 6. Aufl. 2023, StGB § 188 Rn. 12). Jedenfalls ist, um das Verhältnis zwischen Grundtatbestand und Qualifikation nicht umzukehren, ein „Mehr“ gegenüber der bloßen Erfüllung des Grundtatbestandes und den für § 188 StGB notwendigen Begehungsformen (öffentliche Versammlung oder Verbreiten eines Inhalts) zu fordern. Denn die besonderen Begehungsformen sind bereits in § 185 StGB selbst in Form einer Qualifikation enthalten. Andererseits dürfen die Anforderungen an die Eignung nicht überspannt werden, da es sich nur um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt.“ (AG Schwetzingen Urt. v. 26.6.2023 – 2 Cs 806 Js 336/23, BeckRS 2023, 15390 Rn. 18, beck-online).

Das AG Schwetzingen führt weiter aus: „Letztendlich handelt es sich bei der Frage der Eignung um eine Wertungsfrage im Einzelfall der sich in irgendeiner Form mittels einer einfachen Kontrollüberlegung angenähert werden muss. Es ist daher nach Auffassung des Gerichts darauf abzustellen, ob die Gefahr besteht, dass ein vernünftiger, durchschnittlicher Bürger durch die Äußerung ernsthaft an der Integrität oder Lauterkeit der politischen Person zweifeln oder das politische Wirken der Person in Frage stellen würde. Dabei wird nicht verkannt, dass es vereinzelt auch (unvernünftige) Personen gibt, die für abstruse Behauptungen empfänglich sind, solchen Glauben schenken und daher den politischen Einfluss des Angegriffenen in Frage stellen. Dieser Anteil dürfte jedoch relativ gering sein. Jedenfalls wirkt sich dies nicht „erheblich“ im Sinne der Vorschrift aus. Die Kontrollüberlegung soll den Tatbestand daher nicht von seiner Ausgestaltung zu einem konkreten Gefährdungsdelikt umgestalten, sondern eben auch das Merkmal der „Erheblichkeit“ im Sinne der Vorschrift abbilden.“ (AG Schwetzingen Urt. v. 26.6.2023 – 2 Cs 806 Js 336/23, BeckRS 2023, 15390 Rn. 21, beck-online).

Außerdem betont das AG Schwetzingen, dass „bei beleidigenden Inhalten ist dies auch generell schwer denkbar. Insofern ist die Aufnahme des § 185 StGB in den Qualifikationstatbestand auch missglückt. Es sind jedoch durchaus Beispiele der üblen Nachrede oder Verleumdung denkbar, die das Vertrauen in die Integrität einer Person des politischen Lebens erschüttern und das öffentliche Wirken erheblich erschweren können, wie beispielsweise die unwahre Verbreitung von sexuellen Missbrauchsvorwürfen. Im Bereich der Beleidigung hingegen sind Konstellationen, in denen der Tat eine solche Eignung innewohnt, kaum vorstellbar […]“ (AG Schwetzingen Urt. v. 26.6.2023 – 2 Cs 806 Js 336/23, BeckRS 2023, 15390 Rn. 22, beck-online).

Schon diese Ausführungen zeigen, dass das Merkmal der „Eignung das öffentliche Wirken erheblich zu erschweren“ nur sehr schwer zu bejahen ist. An diesem Merkmal scheitert oftmals der Vorwurf des § 188 StGB.

Doch für die Bejahung des § 188 StGB muss natürlich auch eine Beleidigung nach § 185 StGB vorliegen. Eine Beleidigung ist ein Angriff auf die Ehre eines anderen durch Kundgabe der Nichtachtung oder Missachtung. Jedoch sind Meinungsäußerungen grundrechtlich geschützt. Bloße Äußerung von Meinungen und Wertungen fallen unter Art. 5 Abs. 1 GG. Dies betrifft alle Äußerungen, die durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens geprägt sind, wobei es unerheblich ist, ob sie einen polemischen oder gar verletzenden Inhalt haben, wertvoll oder wertlos sind (JuS 2020, 495, beck-online). Im politischen Meinungskampf sind auch überspitzte Äußerungen erlaubt.

Die sog. Schmähkritik ist aber nicht vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit umfasst.  Eine Schmähung ist gegeben, wenn eine Äußerung keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr im Grunde nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht. Es sind diese Fälle, in denen eine vorherige Auseinandersetzung erkennbar nur äußerlich zum Anlass genommen wird, um über andere Personen herzuziehen oder sie niederzumachen, etwa in Fällen der Privatfehde (vgl. BVerfGE 93, 266 (294) = NJW 1995, 3303; BVerfG (1. Kammer des Ersten Senats) GRUR 2012, 193 Rn. 30).

Jedoch betont das Bundesverfassungsgericht, dass es den Bürgern möglich sein muss „straflos und ohne Furcht vor Strafe zum Ausdruck zu bringen, dass sie eine bestimmte Person für ungeeignet zur Führung der von ihnen bekleideten öffentlichen und politischen Ämter halten. Auch solche Kritik gibt zwar nicht das Recht, zu verhetzenden Formen zu greifen, Amtsträger unmäßig zu beschimpfen und in der Öffentlichkeit verächtlich zu machen. Bürger dürfen aber, insbesondere gegenüber Amtsträgern in Regierungsfunktion, auch harsche Fundamentalkritik („Null“) üben, und zwar unabhängig davon, ob sie dieses negative Urteil näher begründen und ob es weniger drastische Ausdrucksformen für die Kritik gegeben hätte.“ (NJW 2020, 2631, beck-online).

Bei den beiden Plakaten handelt es sich ganz offensichtlich nicht um Schmähkritik. Die Äußerungen fallen unter Art. 5 Abs. 1 GG. Hier sollte in Form von Satire Kritik an der Arbeit von manchen Politikern geübt werden und dies ist keinesfalls verboten. Dies hat das Amtsgericht auch zutreffend festgestellt.

Viktoria Dannenmaier
Rechtsanwältin und Strafverteidigerin

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