Landgericht Karlsruhe erlässt einstweilige Verfügung gegen RTL im sog. “Reichsbürger-Prozess”
Nach dem Prozessauftakt am 29. April 2024 beim OLG Stuttgart im sog. Reichsbürger-Prozess berichtete RTL (RTL interactive GmbH) in der Sendung „RTL Nachtjournal“ am 30. April 2024 über das Verfahren. In diesem Bericht wurden von allen neun Angeklagten Portraitfotos nacheinander eingeblendet.
Daraufhin haben wir RTL aufgefordert, die Veröffentlichung des Fotos unseres Mandanten Marco v. H. einzustellen und weitere Veröffentlichungen zu unterlassen. RTL weigerte sich aber, dem nachzukommen. Dies wurde damit begründet, dass es sich um eine Berichterstattung aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt und aufgrund dessen dürfe das Foto unverpixelt veröffentlicht werden.
Das sahen wir anders und haben beim Landgericht Karlsruhe den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Am 05. Juni 2024 erließ das LG Karlsruhe die einstweilige Verfügung, wonach RTL untersagt wird, das Foto unseres Mandanten (unverpixelt) zu veröffentlichen (Beschluss vom 05.06.2024, Az. 22 O 6/24).
In der Begründung führt das Landgericht Karlsruhe aus, dass die unverpixelte Veröffentlichung des Bildnisses unter anderem aus den nachfolgenden Gründen rechtswidrig war.
Es handele sich bei dem Strafprozess vor dem OLG Stuttgart um ein zeitgeschichtliches Ereignis. Jedoch sei in diesem Fall eine identifizierende Berichterstattung durch eine unverpixelte Abbildung nicht erlaubt, „weil die zugunsten des Antragstellers geltende Unschuldsvermutung andernfalls im Bild der Öffentlichkeit unterlaufen würde. Dadurch würde ein berechtigtes Interesse des Antragstellers verletzt, der aufgrund der portraitartigen Abbildung zumindest im Kollegen- und Bekanntenkreis identifiziert werden kann.“
Die außergewöhnlich hohe zeitgeschichtliche Relevanz des Ereignisses genüge für sich genommen nicht, die Abbildung unseres Mandanten zu rechtfertigen. Dies würde sich bereits aus § 23 Abs. 2 KUG und letztlich auch im Rahmen einer Abwägung ergeben.
Es bestehe „die erhebliche Gefahr, dass trotz eines eventuellen Freispruchs an dem Antragsteller (in den Worten des Bundesgerichtshofs) „etwas hängenbleibt“. Anders als in Fällen, in denen unter Bebilderung des Verurteilten über ein (ggf. nur erstinstanzlich) abgeschlossenes Strafverfahren berichtet wird (BGH NJW 2011, 3153 Rn. 24), überwiegt bei der hier gegebenen Konstellation, in welcher während bzw. bereits ganz zu Beginn der Hauptverhandlung berichtet wird, das Schutzinteresse des Antragstellers (vgl. BVerfG NJW 2009, 350 Rn. 14). Bis zu einem erstinstanzlichen Schuldspruch wird oftmals – so auch im Streitfall – das Gewicht des Persönlichkeitsrechts gegenüber der Freiheit der Berichtserstattung überwiegen (BVerfG NJW 2009, 3357 Rn. 20).
Zur effektiven Wahrung der Unschuldsvermutung wäre eine bildliche Anonymisierung durch Verpixelung erforderlich gewesen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.12.0211 – 1 BvR 3048/11, …).“
Das Landgericht Karlsruhe führt weiter aus, dass im vorliegenden Fall die Umstände, unter denen die Aufnahme entstanden ist, ebenfalls in die Beurteilung einzubeziehen sind, denn die Aufnahme wurde nicht in der Hauptverhandlung gemacht und sie wurde auch nicht von einer Bildagentur erworben, sondern es stammt aus der Ermittlungsakte. Unser Mandant musste nicht damit rechnen, dass die von der Polizei im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gefertigten Fotos den Weg in die Öffentlichkeit finden.
Es bleibt abzuwarten, ob RTL gegen diesen Beschluss, den wir hier veröffentlichen, Widerspruch einlegen wird.
Viktoria Dannenmaier
Rechtsanwältin und Strafverteidigerin